„Nachgefragt!“- im Gespräch mit Miguel Strobel, Gründer und Geschäftsführer von Watersky Digital
Watersky Digital ist eine Boutique-Beratung, die auf das Benchmarking der Digitalpräsenz von Marken und eCommerce Plattformen spezialisiert ist. Den zugrunde liegende Benchmarking Algorithmus „SkyEngine“, entwickelte Miguel Strobel mit seinem Mitgründer während eines MBAs an der Oxford University.
Ausschlaggebend hierfür war Miguels langjährige Erfahrungen in Marketing & eCommerce-Positionen bei Beiersdorf.
Heute unterstützt er mit seinem Team Marken & Händler global mit strategischen Insights bei der Entwicklung der Digital- & eCommerce Strategie. Watersky versteht sich dabei nicht als klassische Unternehmensberatung, sondern auch als Sparringspartner & Trainer, der die gesamte Organisation zum digitalen Erfolg befähigt. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind daher neben Benchmarkings- & Strategieentwicklung auch digitale KPI Hierarchien, Organisationsstruktur und cross-funktionales Upskilling.
Herr Strobel, nach mehreren Jahren in einem Konzern sind Sie in die Selbstständigkeit gewechselt: Was hat Sie dazu bewegt, mit Watersky Digital ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Meine Zeit bei Beiersdorf war wunderbar, die Gründung war aber eine ungeplante & glückliche Fügung:
Ich hatte im MBA bemerkt, dass andere Unternehmen auch die gleichen Schwierigkeiten im digitalen Marketing & eCommerce hatten, wie ich bei Beiersdorf:
Der Mangel einer objektiven Wahrheit was eine “gute” Digitalpräsenz denn wirklich bedeutet und was “nice to have ist”.
Grund hierfür ist, dass das Tech Stack & die KPIs der meisten Firmen so ausgerichtet, dass sie den Fortschritt gegenüber der Vergangenheit messen.
Wie sie jedoch im Vergleich zur Konkurrenz stehen, ist in den seltensten Fällen klar. Das ist aber für die Konsument*innen und die Wahrnehmung der Marke entscheidend!
Ohne eine objektive Orientierung, was wirklich nötig ist um erfolgreich zu sein, wird die Digital & E-Commerce Strategie daher anfällig für “Bauchgefühl” oder das bekannte “Shiny new toys syndrome” (schöne, aber unnötige Initiativen, die gerne von Dienstleistern & Fachabteilungen angepriesen werden).
Mein Mitgründer Tobias und ich setzten uns daher das hehre Ziel, etwas Objektivität in den Markt zu bringen, damit Firmen solche Störungen vermeiden können. Hierzu mussten wir “nur” all die verfügbaren Daten im Internet sammeln, strukturieren und auswerten… schlussendlich hat dies zwar etwas länger gebraucht, als wir uns im MBA geplant hatten. Der Weg hat sich aber definitiv gelohnt!
Ob für Marken oder Händler: Was können Sie mit Watersky Digital für mein Geschäft leisten und worin unterscheidet sich Ihr Ansatz von Ihren Wettbewerbern?
Eigentlich müsste ich hierzu zwei Antworten geben, da sich die Bedürfnisse von Marken und Händlern stark unterscheiden.
Vereinfacht gesagt besteht unsere Leistung aus zwei Komponenten: Erstens, maßgeschneiderten Analysen der Konkurrenten unserer Kunden. Zweitens, organisatorisches Empowerment. Dies beginnt beim gemeinschaftlichen Erarbeiten der Handlungsfelder auf Basis der Analyse und geht bis zu Trainings und bereichsübergreifenden Workshops. Dies ist mir persönlich sehr wichtig, da auch die beste Strategie ohne Exekution (in allen Bereichen der Firma) nichts wert ist.
Die Zielsetzungen sind hierbei natürlich sehr verschieden:
Bei Herstellern stehen meisten Themen im Vordergrund, wie die Segmentierung von eCommerce Kunden (und einhergehende Konditions- & Investmentoptimierungen), sowie das Benchmarking der Digitalpräsenz gegen Konkurrenzmarken, als Basis der Digitalstrategie. Letzteres ist auch ein übliches Briefing von Händlern & Shop-Betreibern, allerdings steht hier eCommerce natürlich deutlich mehr im Fokus.
Im Hinblick auf den Wettbewerb, sind wir natürlich ein wenig stolz darauf international einen einzigartigen Analyse-Algorithmus entwickelt zu haben. Abgesehen davon, sehen wir uns gerne als Hybrid, der zwischen der sehr strategischen & abstrakten Perspektive der Strategieberatungen und der sehr operativen und kanal-spezialisierten Brille von Agenturen liegt. Um diese Position und die dafür nötige Objektivität zu gewährleisten, bieten wir auch keinerlei Agenturdienstleistungen an.
Beim VKE-Treff am 2. September in Düsseldorf geben Sie Einblicke zum Thema „Quo Vadis eCommerce? Wie verändert sich der internationale eCommerce – und was kann der deutsche Onlinehandel von der globalen Konkurrenz lernen?“ Welche Impulse, welche Perspektiven können unsere Gäste erwarten?
Unser Beitrag wird eine Premiere: Die erste Studie von 15 führenden Beautyshops aus Deutschland gegen 10 internationale, sehr fortgeschrittene Beauty-Player, die mit dem klassischen eCom Dogma brechen… oder es sichtlich weiter gedacht haben. Mit Blick auf die beeindruckende Entwicklung des deutsche Beauty eCommerce, in den letzten Jahren, bin ich mir sicher, dass einige der Ansätze auch hier helfen können, um sich gegen Amazon zu differenzieren und Kunden zu begeistern. Ich freue mich schon sehr, wenn einige interessante Gedankenanstöße für die Handelspartner und Markenmitglieder des VKE dabei sind.
Viele Marken stehen derzeit vor der Herausforderung, ihre eCommerce-Strategie zwischen Direct-to-Consumer, Marktplätzen, dem stationärem Handel und deren Online-Shops auszutarieren. Wie unterstützt Watersky Digital dabei, klare Prioritäten zu setzen?
Wir nutzen ein datenbasiertes Segmentierungsmodell, das sichtbar macht, welche Kanäle die höchste strategische Relevanz haben – nicht nur generell, sondern auch konkret auf Produktebene. So können wir etwa für eine Kategorie wie Parfum klar aufzeigen, welche Plattformen überdurchschnittlich performen und wo gezielte Investitionen wirklich lohnen.
Dies runden wir dann mit internen Perspektiven (NS, Profitabilität, Kundenbeziehung), sowie offline Metriken (Listungsbreite & -qualität etc.) ab, um eine Omnichannel-Priorisierung der Kunden und Investments zu ermöglichen. Dies hilft unseren Kunden oft strategische Gegengewichte zu identifizieren, in die gerade zu wenig investiert wird und wo auf der anderen Seite eingespart werden kann und muss.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Plattformen wie Amazon und Zalando aktuell? Welche Veränderungen beobachten Sie in der Dynamik zwischen Marken und Marktplätzen und was unterscheidet die Pureplayer von den Online-Shops der klassischen Retailer?
Amazon ist gerade sehr spannend! Natürlich dominiert die Plattform den Markt (wobei weit weniger als in anderen Ländern), allerdings schafft Amazon durch seinen nicht endenden Profitfokus gerade alle Anreize um die Abhängigkeit von ihnen zu verringern.
So waren die letzten Jahre auffällig von Profitoptimierungsmaßnahmen für Amazon geprägt, was das Vendorengeschäft bei vielen Firmen an das absolute Minimum der möglichen Profitabilität gedrückt hat. Zusätzlich ist die Betreuungsqualität durch Vendor Manager und AVS (Amazon Vendor Service) sichtlich gesunken, da sie in low-cost Länder umgesiedelt wurden und nun für die meisten Kunden sichtlich schlechter zu erreichen sind (was auf eine höhere Anzahl von Vendoren pro Amazon-Person schließen lässt). Das dann noch “zufällig” alle kleineren Vendoren gezwungen wurden über den Marktplatz zu verkaufen, passt ins gleiche Bild: Amazon will das Vendor-Geschäft profitabler machen. Koste was wolle.
Aus dem Grund sehen wir aktuell eine sehr hohe Nachfrage nach Analysen zur Identifikation von Gegengewichten zu Amazon und Category Management Projekten um andere Kunden aufzubauen. Natürlich wird auch oft diskutiert, ob man vom Vendor in ein Marketplace oder Hybrid (Vendor + Marketplace) Modell übergeht. Dies ist langfristig sehr interessant, da Hersteller, die ein Setup gefunden haben um auf Marketplaces zu verkaufen, auf allen Marketplaces verkaufen können.
Zusätzlich verändern viele Hersteller ihre Sicht auf eCommerce von einer reinen NS- & Wachstums-Perspektive auf eine Profit-Perspektive. Auch dies führt zu einem tiefgreifenden Wandel der Investmentbereitschaft, was nicht immer zu Amazons Gunsten ist.
Natürlich reißen solche Schritte Amazon nicht direkt zu Boden. Langfristig, ist das Erwachen der Hersteller jedoch nicht zu unterschätzen, da sie zunehmend anfangen sich Gegengewichte aufzubauen, mit denen sie bald Amazon challengen können.
Sie haben in Oxford studiert und bringen internationale Perspektiven mit. Wie prägt dieser globale Blick Ihre Arbeit bei Watersky?
Internationale Märkte – etwa in Asien oder Nordamerika – sind oft agiler und datengetriebener unterwegs als Deutschland. Diese Einblicke aus Oxford und der Projektarbeit helfen uns, unsere Kunden frühzeitig auf relevante Entwicklungen vorzubereiten. Gleichzeitig ist das globale Netzwerk, das aus dieser Zeit entstanden ist, eine wertvolle Quelle für neue Impulse. Unsere Projekte reichen heute weit über Europa hinaus – was uns erlaubt, Trends und Best Practices international einzuordnen und gezielt auf lokale Herausforderungen zu übertragen.
Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung des deutschen eCommerce-Markts?
(lacht) Ich will nicht klingen wie ein schwarzmalerischer Trendforscher, aber in Kürze: Differenzierung.
Bei unseren Analysen fällt uns oft auf, wie uniform die deutsche eCommerce-Erfahrung auf Gesamtmarktebene ist. Es gibt sogar Industrien in dem alle dominanten Player die gleiche Schwäche haben. Hier denke ich, können die Plattformen noch viel gewinnen, die es wagen sich sichtlich zu differenzieren, z.B. durch einen starken Beratungsansatz statt den üblichen Fokus auf die Suchleiste, Fokus auf Social Commerce, User Generated Content etc. Dies ist aber natürlich nur dann möglich, wenn solche Initiativen auch ausreichen Ressourcen erhalten und nicht nach einem kurzen Piloten eingestellt werden.
Abschließend gefragt: Was sollten Unternehmen in Deutschland aus Ihrer Sicht unbedingt beherzigen, um im eCommerce nicht den Anschluss zu verlieren?
E-Commerce ist nicht mehr nur ein Vertriebskanal – sondern der strategische Taktgeber für markenübergreifendes Wachstum.
Wer in Silos denkt (z.B. mangels PnL-Transparenz ggü. Omnichannel-Kunden oder mit rigiden Retail Media Allokationen statt flexibler Budgets), verliert schnell die Übersicht und die nötige Agilität um in diesem schnell verändernden Markt reagieren zu können.
Daher sollte es das Ziel sein, einen holistischen Blick auf eCommerce & Digital zu etablieren:
Dies beginnt bei der Priorisierung & Vergleichbarkeit von Kunden (egal ob online only, omnichannel oder offline only), über Kanal- & Hierarchie-übergreifend harmonisierten KPIs und endet bei Buchhaltungs- & Controllingregeln, wie z.B. TV-Investments auf eCommerce-Kunden umgewälzt werden und anders herum.
Nur so kann man ein annähernd realistisches Bild der sehr komplexen Handelslandschaft bekommen… die durch KI-Commerce, Social Commerce etc. in den kommenden Jahren vermutlich einige sehr starke Veränderungen erfahren wird. Es wird also spannend und sicher sehr interessant, insbesondere, wenn man sich etwas von Amazon freischwimmen möchte.